Um 04:15 Uhr in der Frühe stellt man sich gerne mal existenzielle Fragen: Warum steht man freiwillig zu einer Uhrzeit auf, zu der andere noch nicht mal im Tiefschlaf angekommen sind? Doch genau das tat unsere Crew an diesem Morgen – pünktlich und erstaunlich wach. Um 05:00 Uhr hieß es „Leinen los!“ in Rostock, Kurs Richtung Kiel-Schilksee, wo erst Go4Speed und dann die MaiOR-Regatta auf uns warteten.
Der Wind begrüßte uns direkt mit sportlichen 14 Knoten aus West, dazu eine gute Portion Ostsee-Melancholie mit Nebel, Nieselregen und Böen bis an die 19 Knoten heran. Das erste Reff der Saison war schnell gesetzt – irgendwie auch ein schönes Ritual, fast schon wie das Anstoßen mit Sekt, nur mit weniger Alkohol und mehr Salzwasser im Gesicht. Trotz des grauen Starts machte sich schnell die bekannte Mischung aus Vorfreude und Betriebsamkeit an Bord breit. Nach dem Wachwechsel am späten Vormittag hatte sich die Ostsee überraschend fein gemacht: Der Himmel klarte auf, der Wind stabilisierte sich, und sogar ein kleines Grinsen huschte über das eine oder andere Gesicht. Wir segelten ohne Reff weiter, nutzten die ruhigen Stunden für Pasta an Deck, Rigg-Optimierung und das konzentrierte Lesen der Segelanweisung für die bevorstehenden Events. Nur die letzten 20 Seemeilen zahen sich ein wenig, da der Wind zum Abend hin langsam, aber sicher auf ein müdes Lüftchen herunterfuhr. Trotzdem – wir kamen an. Müde, aber zufrieden.
Das Boot war bereit, das Team auch.
Viel Schlaf gab es nicht – nach Ankunft gegen halb zwölf und Ausstauen am nächsten Morgen, Fahrtensegel wurden mit Regattasegel getauscht, um halb sieben war die Kaffeemaschine unser bestes Crewmitglied. Dennoch waren wir um Punkt 09:00 Uhr beim Regattabriefing. Es folgte ein Tag voller Training: Starts, Wenden, Gennaker-Manöver, Kommunikation. Der Wind war an diesem Tag ein unzuverlässiger Gast, so hatten wir ab und an Wartezeiten, bis er wiederkam. Aber es machte dennoch großen Spaß. Als wir am Abend in den Hafen zurückkehrten, waren wir zwar körperlich müde, aber geistig hochmotiviert. Das Abendprogramm war gut gefüllt: Debriefing, Videoanalysen aus dem Training, Abendbrot und ein Kicker-Turnier.
Der nächste Tag brachte eine neue Herausforderung: Kommunikation. Wenn vom Vorschiff der Befehl „Tack auf!“ kam und vom Cockpit ein „Ist auf“ zurückkam, gefolgt von einem „Lüüüge!“, dann wusste man: Wir arbeiten dran. An diesem Tag lief alles schon viel runder, wir konnten viel von den Tipps der Trainer profitieren. Bei der abendlichen Videoanalyse wurde uns vor Augen geführt, wie viele Boote uns an der Leetonne überholen, wenn wir den Gennaker nicht rechtzeitig runterbekommen. Für die MaiOR nahmen wir uns vor, schneller zu sein. Dazwischen gab’s eine XR41-Führung, gemeinsames Baden in der eiskalten Förde und – natürlich – gemeinsames Abendbrot.
Die Vorfreude auf den ersten Wettkampftag der MaiOR Regatta war groß, endlich ging es los. Die erste Wettfahrt segelten wir solide – nichts Weltbewegendes, aber sauber, sicher, mit gutem Speed. Durch das Training der letzten beiden Tage waren wir gut eingespielt und die Manöver klappten problemlos. In der zweiten Wettfahrt ging es uns dann wie manchen im Mathe-Abi: „In welcher Runde sind wir gerade?“ Aber zum Glück hatte Flieger (Strategie) immer den Überblick. In der dritten Wettfahrt dann das komplette Regatta-Paket: Frühstart, allgemeiner Rückruf, Abbruch, Neubeginn, Wind weg. Am Ende waren wir ziemlich genau da, wo wir angefangen hatten – bloß müder. Am Abend wurde das Deck im Hafen geschrubbt und sich in Schale (aka Vereinskleidung) geschmissen, für die Hot Dog Party.
Der zweite Wettkampftag begann mit einem Rennen in der Strander Bucht – da die Windbedingungen dort aber zu instabil waren, wurde nach der ersten Runde das Regattafeld weiter nach draußen verlegt. Während wir dem Startschiff hinterherfuhren, legten wir eine kleine Tanzeinlagen auf Deck ein. Welche unsere Konzentration direkt steigen lies und dann lief es rund: Unser bestes Rennen des Events! Taktisch klug, saubere Manöver, gutes Zusammenspiel. Danach leider weniger Glanz. Beim vierten Rennen nahm der Wind weiter zu und wir mussten unseren Gennaker vorzeitig bergen – 18 bis 19 Knoten waren einfach zu viel für den A2. In der nächsten Runde wollten wir dann den A4 setzen, mussten aber feststellen, dass er nicht gepackt war. Auf dem Vorschiff herrschte kurzzeitig kreatives Chaos, während wir mit Fock alleine versuchten, gegen den Windverlust zu kämpfen. Trotzdem – die Stimmung hielt sich. Im Hafen flüchteten wir vor dem Regen unter Deck und aßen Wraps. Der letzte Tag verlangte uns noch einmal alles ab. In der ersten Wettfahrt gab es Schauerböen – also Reff rein und kleine Fock. Zwischen den Schauern waren wir dann eindeutig unterpowert, was sich leider in dieser Wettfahrt negativ bemerkbar machte. In der zweiten Wettfahrt dann die Belohnung: Sonne und konstanter Wind – ein würdiger Abschluss einer intensiven Woche. Zurück im Hafen wurde umgebaut auf Fahrtenmodus, während sich die Crew aufteilte: Ein Teil fuhr mit dem Auto nach Hause, der andere segelte die Universitas zurück nach Rostock. Und am Ende? Waren wir ein bisschen stolz. Nicht nur, weil wir als jüngste Crew der MaiOR ausgezeichnet wurden, sondern weil wir als Team gewachsen sind, manchmal über unsere Manöver lachen mussten – und am allermeisten: weil wir Lust auf mehr bekommen haben. Es war nass, es war kalt, es war früh. Aber es war fantastisch.
Vielen Dank an alle, die das möglich gemacht haben –
wir sehen uns auf dem Wasser!